Am Dienstag wurde das Urteil im Prozess gegen den Neonazi und Hooligan Felix R. gesprochen. Nachdem er bereits zwei Mal erfolglos verurteilt wurde, erhält er nun eine Bewährungsstrafe.


Lilian Rist
Journalistin @demo.report
Über zwei Jahre hinweg griff Felix R. im thüringischen Saalfeld Menschen, die er der linken Szene zuordnete, brutal an. So auch an einem Abend im Januar 2019: Vermummt und mit Quarzhandschuhen rammt er einem Mann, der kurz zuvor noch Malerarbeiten an einem Haus in der Innenstadt erledigt hatte, sein Knie in die Brust und schlägt ihm mit dem Ellenbogen gegen den Kopf.
Einige Wochen später stürmt er mit Neonazis der rechtsextremen Hooligan-Gruppierung „Jungsturm“ des FC Rot-Weiss Erfurt vermummt in eine Bowlingbahn und greift dort Fans des FC Carl-Zeiss Jena gezielt an. Die rund 20 Angreifer schlagen unvermittelt auf die dort versammelten und von dem Überfall völlig überraschten Anwesenden ein.
Im März desselben Jahres zertritt er zur Erinnerung an den Todestag der Schülerin Jana G., die aus rechtsextremem Hass ermordet wurde, Grablichter und einen Blumenkranz.
Unterstützung durch „Jungsturm“-Mitglieder
Im Oktober 2019 durchsuchen Polizeibeamt:innen im Rahmen der Ermittlungen gegen R. dessen Wohnung. Sie stellen zahlreiche NS-Devotionalien sicher, darunter eine Hakenkreuz-Fahne, eine Hitler-Büste, sowie eine Ausgabe von „Mein Kampf“. Am selben Tag kommt R. in Untersuchungshaft.
Mindestens einmal konnte R. die Teilnahme an sogenannten Ackerkämpfen gemeinsam mit „Jungsturm“-Mitgliedern nachgewiesen werden. Auf einem Beweisvideo ist zu sehen, wie R. einem auf dem Boden liegenden „Eintracht Frankfurt“-Hooligan mehrmals gegen den Kopf tritt.
R., pflegte auch während seiner Inhaftierung regen Kontakt zu „Jungsturm“-Mitgliedern. Durch Telefonate über Mobiltelefone, die er verbotenerweise in die JVA schmuggeln ließ, Briefwechsel und Besuche wurde R. regelmäßig unterstützt. Darüber hinaus sammelten „Jungsturm“-Angehörige mehrere Hundert Euro für ihn und hingen bei Fußballspielen Banner mit Solidaritätsbekundungen im Stadion auf.
Einschüchterung von Belastungszeugen
Auch zum ersten Prozess gegen R. erschienen 2020 zahlreiche Unterstützer:innen vor Gericht, darunter viele „Jungsturm”-Mitglieder. Diese forderte R. im Vorfeld der Verhandlungen unter anderem dazu auf, Zeugen, die gegen den Angeklagten aussagen sollten, einzuschüchtern. So sicherte ihm beispielsweise einer der später im „Jungsturm”-Verfahren Angeklagten, zu, dass er einem Zeugen mitgeteilt habe: Sollte jemand einen Fehler machen, sorge er dafür, „dass seine Gelenke komplett zertreten werden, Knie und Ellbogen.”
Nach insgesamt sechs Verhandlungstagen wurde R. im Juli vergangenen Jahres wegen insgesamt zehn Straftaten im Zeitraum zwischen 2018 und 2019 zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt. Unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Nötigung, Sachbeschädigung und Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz. Gegen das Urteil legte R.s Verteidiger zunächst Berufung ein, das Verfahren ging in die zweite Instanz. Das zweitinstanzliche Urteil wurde dann schlussendlich Anfang dieses Jahres wegen Rechtsfehlern aufgehoben und das Verfahren ans Landgericht Gera zurückverwiesen. Damit endete auch R.s 16-monatige Untersuchungshaft.
Inszenierung als Opfer
Der Prozess startete nun erneut vor dem Landgericht Gera. R.s Verteidiger, Markus Kruppa, beantragte zu Beginn ein Rechtsgespräch, um das Verfahren abzukürzen und die Beweisaufnahme nicht neu aufrollen zu müssen. Das Gericht gab dem statt. Dadurch stand nur noch die verhängte Strafe zur Debatte, nicht aber die Einzelheiten der Taten.
R.s Taten stellte Kruppa als Reaktionen auf „unangenehme Vorfälle” in Saalfeld dar. So habe es im Internet „Hetzereien” gegen seinen Mandanten gegeben und Leute hätten seinen Arbeitgeber, einen Pizza-Lieferdienst, bei dem R. als Fahrer arbeitete, informiert und andere Menschen vor ihm gewarnt. Auch sein Auto sei zerstört worden. Für R. sei klar gewesen, dass Angehörige der linken Szene dahinter steckten. Beweise für diesen Argumentationsschluss legte die Verteidigung nicht vor.
Die Nebenklagevertreterin eines der Geschädigten, Kristin Pietrzyk, kritisierte die Darstellung der Verteidigung scharf. Es sei falsch, R.s körperliche Gewalttaten mit sogenannten Distanztaten zu rechtfertigen Die Botschaft R.s an ihren Mandanten sei klar gewesen: Solange er ihn als Teil der linken Szene wahrnehme, solle sich ihr Mandant nachts draußen nicht mehr sicher fühlen.
Urteil: Zwei Jahre auf Bewährung
Das Gericht verurteilte R. nach einem Verhandlungstag schließlich zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf drei Jahre Bewährung. Er habe einen Großteil der Taten eingeräumt und die Taten lägen bereits einige Jahre zurück, erklärt die Strafkammer und übernimmt in Teilen die Argumentation R.s: Der Angeklagte habe im Nachgang der Tat „Angriffe verbaler Art” erfahren müssen. Dabei habe er sein Leben neu ordnen wollen, dies wurde ihm „schwer gemacht“.
R. selbst erklärte, er wollte aus Saalfeld weg und sei nun nach Leipzig gezogen. Die Frage der Nebenklagevertreterin Kristin Pietrzyk, ob er sich denn auch personell aus der rechten Szene gelöst habe, will er nicht beantworten. Auf Twitter kursiert bereits ein Foto, das R. mit dem verurteilten „Jungsturm”-Mitglied Robin B kurz nach der Verhandlung zeigt.